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Das Vorwort & Glosse aus dem Beepworld Newsletter

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Samstag, 24. Mai 2008

Beepworld.de - NEWSLETTER #60 vom 29.04.03

Von thofi, 11:12

VORWORT

Immer realistischere Gewaltszenen in immer brutaleren Computerspielen rufen den Gesetzgeber auf den Plan. Kürzlich verschärfte Gesetze sollen die Jugendlichen vor der virtuellen Gewalt schützen. Richtig so.
Aber dass es in Deutschland seit Jahren an der Tagesordnung ist, dass Kinder
entführt oder umgebracht werden, teilweise unter unvorstellbar grausamen Umständen, wie zuletzt die beiden Geschwister Sonja und Thomas aus Eschweiler, lässt die Gesellschaft erschreckend kalt. Kurzfristige Empörung, Täter gefasst, alles in Ordnung, wir gehen über zur Tagesordnung.
Nichts ist in Ordnung. Der nächste Entführer steht vielleicht gerade jetzt an einem Spielplatz und beobachtet sein künftiges Opfer, das nächste Woche für einen Tag die Schlagzeilen beherrschen wird. Wo bleiben die Demonstrationen von Mitschülern und Eltern, wo die ernsthafte Diskussion im Parlament, wo der Innenminister mit Plänen für mehr Schutz, wo Gesetzesinitiativen, wo die Talkshows, die sich mit den Ursachen beschäftigen, wo der ernsthafte Wille der Verantwortlichen in der Gesellschaft, diese vielen Übergriffe auf wehrlose Kinder nicht mehr zu akzeptieren? Wo die Kirche, die statt nachträglicher Gedenkgottesdienste vorher den Finger in offene Wunden legt? 
 
Die Diskussion über den Schaden an der geistigen und charakterlichen Entwicklung, den ein Übermaß an Blut in Computerspielen oder schlecht gemachten US Spielfilmen bei Jugendlichen anrichten kann, ist von der Wirklichkeit schon längst überholt worden: Täglich und frei Haus liefert uns CNN unzählige blutige Tote, die nach dem Drücken des Ausknopfes nicht mehr wieder aufstehen, ihre Gage kassieren und ein Bier trinken gehen, und die auch nicht mehrere Leben haben.
Ja, die Welt ist brutaler geworden, der Umgang miteinander verroht. Manche Menschen haben mehr Kontakt zu ihrem Rechtsanwalt als zu Freunden oder ihren Nachbarn. Das kann man bedauernd zur Kenntnis nehmen und achselzuckend zur Tagesordnung übergehen, oder im eigenen kleinen Verantwortungsbereich sich ein klein wenig gegen den Trend zu stemmen versuchen, meint Euer thofi
GLOSSE
Ach nee. Sie auch? Sie hätten also auch nichts dagegen, Tausenden von Menschen mit ihrem Anblick Vergnügen zu schenken? Halt, halt, bevor Sie von mir was Falsches denken. Ich rede da eher von virtuellem Spaß an ihrem Körper. Immer noch zu anrüchig? Na, nun gestehen Sie mal: Anrüchig wird es doch erst, wenn damit andere Geld verdienen und nicht Sie, stimmt´ s? Bekanntermaßen hat jede und jeder seinen Preis. Wie hoch ist ihrer?

Egal, welche Summe Sie jetzt nennen, der Preis von Oliver Kahn ist höher, wetten? Im Streit um die Rechte an seinem Namen und seiner deutlich erkennbaren Spielerfigur hat Fußball-Torhüter Oliver Kahn kürzlich einen Sieg gegen den amerikanischen Hersteller des Spieles "FIFA WM 2002", Electronic Arts EA, errungen. Zahlen oder Abpfiff hieß die Forderung von unserem Welttorhüter des Vereins Bayern München, dem neuen Deutschen Meister 2003.

Das Problem liegt wie so oft an unterschiedlichen Meinungen zwischen USA und Deutschland. Nein, keine Angst, ich wärme jetzt nicht wieder die Debatte um den Irakkrieg auf. Die Lizenzvergabe schließt in den USA sämtliche persönlichen Daten der Sportler mit ein, in unserem Lande hätte EA dagegen mit jedem Spieler einzeln verhandeln müssen, wenn sein Konterfei in der Software auftauchen soll. Kahn klagte gegen EA, das Landgericht Hamburg gab ihm Recht. Und verdonnerte EA dazu, die gesamte deutsche Produktion einzustampfen.

Nun aber mal kein falsches Mitleid mit dem Goliath EA. Die Verluste halten sich in Grenzen, denn demnächst kommt ohnehin "FIFA 2004" raus, und Reklame gab es durch den Prozess kostenlos für die FIFA Spielserie. Und Uns-Oliver? Wer weiß, vielleicht wird er sich eines Tages sehnlichst wünschen, wenigsten noch virtuell vielen Tausend Fans mit seinem Anblick Vergnügen schenken zu dürfen.